Die Europäische Kommission will die Finanzwirtschaft im Umwelt- und Klimaschutz stärker in die Pflicht nehmen. Das geht aus am Donnerstag veröffentlichten Vorschlägen hervor, die die vier Bereiche Investorenpflichten und Offenlegungsanforderungen, Klassifizierung von Nachhaltigkeit, Indizes und Benchmarks sowie Beratungspflichten umfassen.

 

Demnach sollen unter anderem institutionelle Investoren künftig Nachhaltigkeitsaspekte besser berücksichtigen und dies offenlegen. „Von Investoren einzufordern, Umwelt- und Klimarisiken umfassend zu berücksichtigen und dies transparent zu machen, liegt im Interesse aller Kunden. Nachhaltigkeitsaspekte müssen nicht nur integraler Bestandteil jeder Risikoanalyse und des Risikomanagements, sondern auch des generellen Investmentmandats sein“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland.

 

Welche Investments und Vermögenswerte künftig als nachhaltig gelten, darüber soll ein Klassifizierungssystem entscheiden. Die Kommission hat dazu einen Rahmen vorgestellt. „Bislang mangelt es europaweit an Klarheit darüber, was ein nachhaltiges Investment im Sinne des zukunftsgerechten Wandels ausmacht. Eine Taxonomie soll nun Abhilfe schaffen. Um aber valide Orientierung geben zu können, darf sie nicht nur Ist-Zustände betrachten, sondern muss zwingend auch zukünftige Entwicklungen abbilden“, fordert Kopp vom WWF. „Der Maßstab müssen unsere planetaren Grenzen und internationale Abkommen zum Schutz unserer Umwelt und damit die notwendigen Entwicklungen sein. Nur dann bietet die Taxonomie einen Mehrwert. Die aktuellen Vorschläge stellen noch viel zu sehr auf Vergangenheitsbezüge wie zurückliegende Emissionen ab.“

 

Georg Schürmann, Geschäftsleiter der Triodos Bank Deutschland, fügt hinzu: „Die vorgeschlagene stufenweise Herangehensweise – erst Klimawandel, dann andere Nachhaltigkeitsaspekte – bietet zwar die Möglichkeit einer schnelleren Umsetzung zumindest von ersten Schritten, birgt aber die Gefahr, dass gleichrangige Nachhaltigkeitsziele im weiteren Prozess vernachlässigt und gegeneinander ausgespielt werden.“ Die Kommission muss dringend klarstellen, wie gesichert ist, dass alle Bereiche, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, wie auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, ausreichend berücksichtigt werden. Die einzuberufende Expertengruppe muss das klare Mandat bekommen, die Klassifizierung in Einklang mit Zielen und erforderlichen Entwicklungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu entwickeln. Im ersten Schritt sollten sich damit jene „braune“ Anlagemöglichkeiten identifizieren lassen, in die nicht mehr investiert werden darf, wenn man drängende ökologische und soziale Herausforderungen bewältigen möchte. Dann sollte eine granulare Klassifizierung eingeführt werden, die Investments anhand ihres Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung einteilt: z.B. konform (schadet nicht), adaptiv (löst bestehende Probleme) und transformativ (fördert neue nachhaltige Geschäftsmodelle).

 

Bei den Regulierungsvorschlägen im Bereich Indizes und Marktbenchmarks ist der Rahmen wiederum zu eng gefasst: Sie betreffen nur spezielle Indizes und basieren wiederum zu stark auf historischen Emissionen, nicht auf zukünftigen Entwicklungen und Anforderungen.

 

Mit ihren Vorschlägen geht die Europäische Kommission einen Schritt in die richtige Richtung. Doch die Dynamik könnte noch mutiger und umfassender sein, und vor allem auf vorrausschauenden Anforderungen und Entwicklungszielen wie den Nachhaltigkeitszielen (SDG) basieren. Die Bundesregierung ist nun gefragt, die Vorgaben zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in Brüssel zu stärken, die dann in die deutsche Diskussion über- und umgesetzt werden müssen. Insbesondere das Finanz- und das Justizministerium sind in der Debatte gefordert.